Phil Shöenfelt - ein bewegtes und
bewegendes Leben
Die Biographie von Phil
Shöenfelt liest sich wie ein Reise- und Erlebnisbericht, der Stoff für mindestens 4
Romane liefert, beginnt im London der 70er Jahre, wo der Singer/Songwriter den
Punkaufbruch mit seinen Protagonisten wie Siouxsie & The Banshees, The Clash oder den
Buzzcocks hautnah miterlebt, führt weiter nach New York, wo Shöenfelt 1979 seine erste
Punkband D.C. 10 gründet, führt zurück nach London, wo er mit The Fall, Nick Cave
(damals noch in Birthday Party) arbeitet, und endet schließlich in Prag, wo der von einer
schweren Heroinsucht genesene Phil Shöenfelt zumindest äußerlich zur Ruhe kommt.
Zwischen 1990 und heute hat Shöenfelt fünf exquisite Alben
eingespielt und hat zahlreiche Tourneen im Vorprogramm des Mannes absolviert, mit dem er
bis heute immer wieder verglichen wird: Nick Cave. Dabei hat Shöenfelt den heute als
"Cave-typisch" bezeichneten Stil für sich bereits manifestiert, als Cave selbst
mit Birthday Party noch gänzlich andere Pfade beschritt. Doch auch mit seinem neuen Album
"Dead Flowers For Alice" (Zyx) dürfte es Shöenfelt schwer haben, diesen ewig
gezogenen Vergleich abzuschütteln. Dabei gibt es durchaus Parallelen, die aber nicht
zwangsläufig musikalischer Natur sind.
Phil Shöenfelt:
"Nick ist ein großartiger Songschreiber und Performer, doch es gibt
unzählige Unterschiede. Nick ist weitaus theatralischer als ich, rein tonal mögen unsere
Stimmen ähnlich sein, dennoch sind sie höchst unterschiedlich. Wir beide singen mit
tiefen Stimmen, doch das tun Sänger wie Scott Walker, Iggy Pop oder Ian Curtis ebenso.
Tatsächlich wurde ich ständig mit Ian Curtis verglichen, bevor Nick berühmt wurde. Wir
beide haben aber ähnliche Erfahrungen gemacht, von daher gibt es schon Parallelen.
Dennoch behagt mir der ebenfalls oftmals gezogene Vergleich mit Leonard Cohen weitaus
mehr. Cohen und alte Delta Blues Singer wie Robert Johnson sind meine eigentlichen Wurzeln
- und von denen ist wiederrum Nick Cave inspiriert worden."
Wie auch schon die vorangegangenen Alben wurde auch
"Dead Flowers For Alice" in Prag mit der Band "Southern Cross"
aufgenommen, die ausnahmslos aus tschechischen Musikern besteht.
Phil Shöenfelt:
"Ich bin in diese Stadt gekommen, weil meine derzeitige Freundin hier lebt. Ich liebe
Prag und seine Energie. In gewisser Hinsicht erinnert mich Prag an Manhattan, allerdings
ohne die harten Drogen und die Gewalt. Kunst, Geschichte, Literatur und Film sind hier eng
miteinander verknüpft, man trifft immer wieder Menschen, die einen inspirieren und mit
denen man arbeiten kann. Das Leben hier hat mir ermöglicht, meine Musik abseits des
Mediendiktats einer Stadt wie London z.B. zu entwickeln und atmen zu lassen, zudem ist
hier alles viel entspannter. Die bohéme Atmosphäre dieser Stadt mit ihrer gotischen
Architektur und dunklen magischen Energie hat mich nicht nur inspiriert, diese Stadt
füttert mich geradezu!"
Wie auch auf den frühen Alben "Backwoods
Crucifixion" oder "God Is The Other Face Of The Devil" ist auch "Dead
Flowers For Alice" von religiöser Thematik und Fragestellung durchzogen - eine
weitere Parallele zu Cave und Cohen...
Phil Shöenfelt:
"Ich bin definitiv kein neugeborener Christ oder etwas in der Richtung. Ich
bin weit mehr an okkulten Philosophien als am Christentum interessiert, dennoch hat mich
vor allem das Alte Testament so fasziniert, wie es auch die alten Bluesmusiker inspiriert
hat. In der Tat verbindet Blues die Atmosphäre und Bilder des afrikanischen Voodoo mit
den Bildern der Bibel. Und darum geht es mir: Ich liebe die Kraft der biblischen Bilder
und Symbole. Und als Mensch der westlichen Kultur kann ich mich dem Einfluss des
Christentums kaum entziehen, es hat uns geformt, zum Guten und zum Schlechten. Darum geht
es auch in einem Song wie "Ballad Of Elijah Cain", der die Frage stellt, was wir
aus der ganzen Geschichte gelernt haben und wohin wir in diesem neuen Jahrtausend gehen
werden. Es ist kein politischer Text, da ich so etwas im Kontext der Rockmusik immer schon
abgelehnt habe, sondern ich versuche diese Fragen in einer poetischen, sehr intuitiven Art
und Weise zu stellen."
Auch der Rest der Songs auf "Dead Flowers For
Alice" zeichnet sich vornehmlich durch sehr intime, persönliche, teilweise sehr
offenbarende Texte aus, wie das bewegende "Darkest Hour"
Phil Shöenfelt:
"In 'Darkest Hour' geht es um Sünde, spirituellen Tod und die mögliche
Wiedergeburt. Ich bin kein Flagellant, aber es gibt gewisse Perioden in meinem Leben, auf
die ich nicht besonders stolz bin. Ich war 11 Jahre heroinabhängig - und obwohl es in
'Darkest Hour' nicht vordergründig um diese Abhängigkeit geht, ist es schon ein Song
über die Gefühle der Selbstverachtung, die eine solche Sucht mit sich bringt. Ich habe
1988 aufgehört Heroin zu nehmen und bin jetzt glücklicher und positiver als ich es je in
meinem Leben war."
Somit ist auch "Dead Flowers For Alice" trotz der
vornehmlich die dunklen Seiten des Lebens auslotenden Thematik kein depressives oder gar
nihilistisches Album, sondern das aus diversen Fragmenten und Emotionen zusammengefügte
Konzeptwerk eines geläuterten, gereiften Künstlers.
Phil Shöenfelt:
"Ja, es ist schon ein Konzeptalbum. Es ist ein Blick zurück und durch die Verwertung
der gewonnenen Erfahrungen auch ein Blick in die Zukunft. Also ein Rückblick auf einer
persönlichen, aber auch kulturellen Ebene. Ich bin jetzt über 40 Jahre - und vielleicht
ist dies einfach eine ganz natürliche Art, persönliche Dinge zu verstehen und zu
absorbieren, um der Zukunft mit positiver Energie und einem Gefühl der Orientierung zu
begegnen."
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